Christ sein in Zeiten von Krieg
„Selig die Frieden stiften, denn sie werden Kinder Gottes genannt werden.“ (Mt 5,9)
Nach Coronapandemie und kirchlichem Missbrauchsgutachten strapaziert nun der russische Angriffskrieg in der Ukraine auch unsere Nerven. Und er stellt die große Frage, wie wir uns in der höchst komplexen Frage positionieren, ob nun Waffen an die Ukraine geliefert werden sollen oder nicht. Aus christlicher Sicht: was bedeutet Nächstenliebe hier konkret (natürlich neben Friedensgebeten und der Hilfe für Flüchtlinge oder der hierfür finanziellen Unterstützung z.B. der Caritas International)?
Vorab: hierauf wird es keine befriedigende Antwort geben können, es muss vermutet werden, was das kleinere Übel in der Gesamtschau darstellt.
Dieses Dilemma schreit danach, sich intensiver mit möglichen Lösungen zu beschäftigen. Der Einsatz von Waffen bleibt eine Lösung, die unendlich viel Leid und Todesopfer hervorbringt. Es gibt Alternativen. Aber fast niemand weiß von ihnen, wie in einem Tunnelblick scheinen wir nur ein Muster zu kennen: Internationale Aggression: Militärischer Einsatz!
Dabei ist die erste Reaktion der EU und der Nato, mit starken Sanktionen auf die russische Aggression zu reagieren, ein sehr deutlicher Fortschritt zur kriegslüsternen Situation 1914, die zum ersten Weltkrieg geführt hat.
Aber leider wird die zweite starke Alternative zu Waffen lebensgefährlich stiefmütterlich behandelt: die Diplomatie, der intensive Dialog mit dem Ziel eines ernsthaften und ehrlichen Interessensausgleichs! Ja, es gab Telefonate mit und Besuche bei Präsident Putin, aber diese sind wie ein Tropfen auf den heißen Stein: wo sind die konzertierten Absprachen und täglichen Konferenzen verschiedenster Regierungsvertreter*innen weltweit, warum gelingt es nicht, dass sich die Staatsoberhäupter von z.B. China, Indien, Israel und der EU zusammenschließen und stärksten diplomatischen Druck aufbauen? Ja, natürlich, wegen eigenen politischen und wirtschaftlichen Interessen. Aber dann darf nicht die Rede davon sein, es gäbe keine Alternativen zu Waffen.
Auch eine dritte Alternative ist viel zu wenig bekannt: ziviler oder sozialer Widerstand der Bevölkerung gegen Besetzer, wie es in Finnland Anfang des 20. Jahrhunderts gelang, sich durch passiven Widerstand der russischen Besetzungspolitik zu widersetzen.
Intensivste Bemühungen um effektive Sanktionen, stärkste Diplomatie und die Schulung in Sozialer Verteidigung wären Maßnahmen, die Friedensforscher*innen zufolge viel schneller, nachhaltiger und mit deutlich weniger Toten militärische Konflikte beenden würden. Ausprobiert wurde dies noch nie im großen Stil. Jetzt wäre die Zeit dazu! Margot Käßmann bringt es so auf den Punkt: Krieg ist für mich nicht Ultima Ratio, weil Ratio Vernunft heißt. Und im Krieg setzt die Vernunft aus. (…) Krieg ist das Ende aller Vernunft.
Der christliche Auftrag zur Nächsten- und Selbstliebe bedeutet angesichts von Krieg, sich für Alternativen zu Waffen stark zu machen. Informationen gibt es dazu von den Friedensinitiativen genug, stellvertretend sei hier genannt: sicherheitneudenken.de
Langfristig müssen wir offensichtlich auch noch viel mehr als bisher auf friedensschaffende Maßnahmen achten wie Bildung, das Sorgen für Gerechtigkeit, völkerverständigende Maßnahmen wie Schüleraustausche und Städtepartnerschaften, auch im Blick auf Entwicklungen in China oder islamistische Strömungen.
Als Christen bleibt es eine herausfordernde Aufgabe, Salz der Erde und Licht der Welt zu sein! (Mt 5,13f.)
Das Wissen um das Ende jeden Karfreitags und die sich immer wieder neu bahnbrechende Auferstehung des Lebens und der Liebe gibt uns die Kraft dazu!
Markus Brunnhuber, Pastoralreferent